Über meine persönlichen Gründe des Kopfschüttelns über die ersten öffentlichen Auftritte Eugen Freunds
Die Kandidatur von Eugen Freund als Frontmann der SPÖ für die EU-Wahl
selbst, aber vor allem seine ersten öffentlichen Auftritt und Interviews seit
dem Durchsickern dieses Antretens haben vor allem in sozialen Medien teils sehr
kontroversielle Reaktion bewirkt.
Ein sehr angesehener Journalist hat auf Twitter (in einem offenbar seither
gelöschten Tweet, daher ohne Verlinkung und Namensnennung) die These
aufgestellt, dass offenbar ein Kandidat für ein öffentlches Amt, zumal
Quereinsteiger, ein Armutsgelübte abgelegt haben und mediengecoacht sein müsse.
Diese Aussage, von mir im ersten Impuls in einer nicht ganz so feinen
Wortwahl als vollkommen unzutreffend bezeichnet, ist dennoch Anlass für eine
Reflexion, ob man sich im Internet nicht zu voreiliger Kritik bis hin zu
persönlichen Angriffen hinreißen lässt, was trotz der geringen Bedeutung der
eigenen Person für die (online) (ver)öffentlich(te) Meinung, in Summe zu einem
Hochschaukeln und zu einem „Hände weg!“ potenzieller qualifizierter Anwärter
und Anwärterinnen führen könnte und dem Betroffenen gegenüber ungerecht und unfair ist.
Im konkreten Fall bleibt trotz der Wertschätzung für einen angesehenen und
aus der Sicht eines Zusehers hochqualifizierten Moderator und trotz der
persönlichen Einschätzung, dass er ein sehr guter EU-Parlamentarier sein kann,
wenn er sich auch in die Niederungen der Ebenen der parlamentarischen
Knochenarbeit begibt, leider wirklich derzeit primär ein Kopfschütteln über
Eugen Freund übrig.
Und das aus folgenden Gründen:
Wer immer sich für eine Stelle bewirbt, noch dazu, wenn diese mit einer großen
Außenwirkung verbunden ist, wird sich gewissenhaft auf Bewerbungsgespräche und
seine Auftritte bei Kunden und in der Öffentlichkeit vorbereiten.
Niemand wird zum Beispiel von jemandem, der Chefredakteur einer Zeitung
werden will, die detaillierte Kenntnis des Redaktionsstatuts erwarten – aber ein
Wissen um die Blattlinie, die gerade in der Zeitung aktuell behandelten Themen,
den angesprochenen Leserkreis und vielleicht ein paar Zitate aus Leitartikeln
sind wohl unabdingbare Voraussetzungen für diese Funktion.
Und wenn man, sagen wir mal, rund einen Monat Vorbereitungszeit hat, sollte
bei Fragen, was man an den Themenschwerpunkten ändern könnte, mehr als ein
„Antworten darauf kann man von mir nicht erwarten“ als Antwort kommen.
Angehende Journalisten eines, drehen wir es einmal um,
Luxuslifestylemagazins dürfen sich nicht wundern, wenn sie auf Unverständnis
stoßen, sollte ihnen zum Thema Lamborghini nicht mehr einfallen als: „Wozu
braucht man so etwas? Von A nach B komme ich auch mit einem gebrauchten Skoda.
Überhaupt: Sich in so ein Protzauto zu setzen, also für mich wäre das nichts!“
Und bei jedem Bewerbungsgespräch (und Interviews sind ein solches, ein
künftiger Mandatar bewirbt sich über den Journalisten bei seinen möglichen
Wählerinnen und Wählern) wird der Bewerber darauf abgeklopft, welche Werte er
vertritt, welche Ziele er erreichen will, wo er sich in fünf Jahren sieht usw.
Ein Schwelgen in der Vergangenheit, garniert mit dem Anspruch, dass man einem
anderswo Lorbeerkränze sonder Zahl geflochten hätte, kommt wirklich nicht sehr
gut rüber.
Zurück zur Diskussion des Durchschnittseinkommens eines Arbeiters:
Die
Antworten Freunds zeigen nicht nur ein schreckliches Maß an Unvorbereitung
(alle relevanten Zahlen zur Republik Österreich sind im Statistischen Jahrbuch
auf der Homepage der Statistik Austria abrufbar) und ja, kein Politiker muss
die Dezil-Angaben gegliedert nach Unselbständigen, Unselbständigen inkl.
Lehrlinge, Beamte etc. kennen.
Manche, grundlegende Daten sind aber auch Teil der Medienberichterstattung.
Es gibt Leute, die kritisieren die viel besprochene Billa-Verkäuferin, die um
fünf Uhr früh mit dem Bus vom Burgenland nach Wien pendelt dafür, nicht darüber
Bescheid zu wissen, was in der aktuellen Zeit seht.
Und da offenbart ein
Journalist ein in das Unwissen interpretierbare Desinteresse an Dingen, die den
Leuten, die ihn wählen sollen (wie gesagt: ich glaube, er wird ein guter
EU-Parlamentarier, aber warum für die SPÖ?) wichtig sind?
Letztes Stichwort: Pension. Natürlich gibt es Neider, die Freund seine
Pension vorwerfen. Meiner Meinung nach ist an der Pension selbst sowie der
Tatsache, dass er sie sich bei der Übertragung der Ansprüche vom ORF an eine
Vorsorgekasse auszahlen ließ, nichts Böses, nichts Priviligiertes, nichts
Verwerfliches.
Diese Möglichkeit stand in Österreich zig tausenden Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern offen – und hoffentlich haben sie viele gesunden
Menschenverstandes, die nicht auf die Schalmeienklänge der
Dritte-Säulen-Heiligen hereingefallen sind, auch genutzt.
Die Aussage aber, er beziehe keine ORF-Pension (soferne in den Medien
korrekt wiedergegeben) provoziert einen Satz, der gerade im Journalismus
oft in Entgegnungen zu finden ist: Diese Tatsachenmitteilung ist in
irreführender Weise unvollständig.
Denn ja, er wird keine Pension vom ORF bekommen – sondern wenn, von der
Vorsorgekasse, falls der ORF bzw. der ORF und er nach dem Übertritt weiter, bei
null beginnend, in diese eingezahlt haben.
Was ist so schlimm, zu sagen: Ich habe mir meine Pensionsansprüche damals
wie viele in unterschiedlichen Betrieben auszahlen lassen und seitdem wird
wieder in die Pensionskasse eingezahlt?
Die Einschätzung, dass seine Äußerungen nicht von politischen Gegnern
aufgegriffen werden und eine Flanke eröffnen, die überhaupt nicht notwendig
wäre, zeugt auch ein wenig von Unachtsamkeit oder auch Fehleinschätzung der
Realität.
Mit der ASVG-Höchstpension nicht auskommen zu können, eine solche
wahrscheinlich durchaus ehrliche Aussage, ist natürlich ein Schlag ins Gesicht
aller jener SPÖ-Wählerinnen und –Wähler, die von so einer Pension nur träumen
können – und das dürfte wohl weit mehr als die Zweidrittelmehrheit sein.
Ja, das Zurückfallen vom Erwerbseinkommen auf die ASVG-Pension bedeutet für
alle davon Betroffenen einen massiven Einkommensverlust und eine Einschränkung
des Lebensstils.
Nur kommt das nicht als unvorhersehbares Unheil über einen, man kann und
muss vorausplanen, zusätzliche Einnahmequellen erschließen (was für die meisten
Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ein Ding der Unmöglichkeit sein dürfte)
oder eben seinen Lebensstil und die Fixkosten entsprechend anpassen – sollte
man sich über einen unerwarteten Vermögenszuwachs freuen können, ist es halt
auch anzuraten, diesen entsprechend vorsorgend anzulegen – oder eben, wenn man
dies alles nicht gemacht hat oder machen will, zu schweigen.
Ich hoffe, dass Freund dazulernt – und einen verkürzten Welpenschutz sollte
man ihm auch gewähren (verkürzt, weil bis zur Wahl nicht mehr so viel Zeit
bleibt).
Und vielleicht kommt er bei der Analyse seiner ersten Auftritte auch
dazu, das zu sagen (wahrscheinlich in anderen Worten), was ein ehemaliger
Nationalratsabgeordneter nach einem verpatzten ZIB2-Auftritt offen aussprach: „Das
habe ich versemmelt!“.
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