Montag, 17. Juni 2013

Ein paar Fragmente zur Vermögenssteuer oder: Mitzis Nightmare

Maria Fekter reitet wieder. Bei der Suche nach der unintelligentes Beschäftigungsmöglichkeit im ganzen Universum wurde sie fündig: Es handelt sich um die Einführung einer Vermögenssteuer (siehe folgenden Artikel im Standard ).  
Nachdem meine Bewunderung dafür, soviel Dummheit in einen Vortrag zu packen, abgeklungen ist und damit mein weiterer produktiver Tagesverlauf nicht durch das Ärgern darüber zu negativ beeinträchtigt ist, habe ich mich entschlossen, eine Stunde zu opfern, und mal zwanglos ein paar Argumente gegen die Vermögenssteuer anzusehen.

Die Neiddebatte

Natürlich sind die Befürworter eine Vermögenssteuer lauter sozialschmarotzende Habenichtse, die den "Was war mei' Leistung-strägern" alles neiden, sie am liebsten in Sack und Asche sehen würden und sowieso.
Der Verfasser dieser Zeilen ist nicht vermögend, d'accord. Aber er zahlt schon brav einen 50%igen-Grenzsteuersatz und erfrecht sich daher sehr wohl, über den Begriff "Leistung" nachzudenken. Im Rahmen dieser philosophischen Überlegungen ist er zumindest schon zu ein paar Negativabgrenzungen gekommen:
Für mich fällt darunter definitiv nicht das Entschlüpfen aus der richtigen Gebärmutter, das Sammeln von möglichst vielen Konten in Steueroasen, die mit den Ersparnissen aus einem Ministergehalt dotiert sind, das Abcashen für hingerotzte Windows-Testseitenausdrucke (vulgo Vorkonzepte) etc. pp.
 Jedem/Jeder, der sein/ihr Vermögen mit ehrlicher Arbeit (auch anderer, wenn er die ordentlich bezahlt), innerhalb gewisser moralischer Grenzen erworben hat und dem Staat gibt, was des Staates ist, dem seien Millionen, Zig-Millionen und Milliarden und die daraus resultierenden Annehmlichkeiten sowie ein langes Leben herzlichst gegönnt.

Die Schon-aber-zuerst-dies-und-das-Debatte 

Viele weisen zu Recht auf Verschwendung in administrativen Bereich, auf ausgenützte Lücken im Sozialsystem usw. hin und verlangen, das zuerst hier Maßnahmen ergriffen werden müssen, dann könne man ja über dies und das langsam zu reden beginnen.
Hier gefällt mir die proaktive Herangehensweise besser. Eben zuerst in Vorleistung zu treten und dann mit Fug und Recht zu sagen: Jetzt seid aber ihr dran.
Ganz abgesehen davon vergessen viele Verfechter dieser Argumentation einen der wichtigsten Grundsätze der Betriebswirtschaftslehre: Dem Vorrang der Liquidität vor der Rentabilität. Beamtenabbau, Verwaltungsreform usw. haben eine längere Vorlaufzeit und bringen nicht sofort Geld in die Kassa oder behalten es dort. Sonst geht es einen wie Baron Rothschild (wenn nicht wahr, dann zumindest gut erfunden), der sich mal von seinem Chauffeur ein paar Münzen für eine Zeitung ausleihen musste, weil er nicht liquide war.
Ganz abgesehen davon, wenn wir uns darauf einigen, dass der Staat für seine Aufgaben (mehr) Geld braucht (spätestens dann, wenn vielfältige Garantien fällig werden – und sie werden fällig werden):
Woher soll es kommen? Vom Mittelstand über Einkommensbesteuerung? Von den unteren 20 % der Bevölkerung (einkommensmäßig gesehen), in dem man dafür sorgt, dass manche davon nicht erst ab dem 25. sondern schon ab dem 20. von Milch und Brot leben und sich zwischen Frieren und Hungern entscheiden müssen? Ja, liebe Landsleute, das gibt es bei uns. Schon mal gesehen, wie Leute Holzsteigen im Supermarkt einsammeln, weil sie die im Winter verheizen? Schon mal mit einer Supermarktkassiererin gesprochen, warum gegen Monatsende der Verkauf von Hunde- und Katzenfutter an Menschen, die gar kein Haustier haben, zunimmt?

Die Arbeitsplatz und Betriebsvermögensdebatte

Wer wird von den Gegner von Vermögenssteuern als in den Ruin getriebenes Opfer vorgeschickt: Richtig, die Kleinunternehmerin, die eine Vermögensteuer in den Ruin treiben würde.
An dem Argument ist aus meiner Sicht etwas dran. Es kann nicht sein, dass bei gesunkenen Renditen das Realvermögen aus dem produktiven Sektor  (man könnte auch sagen: die Hobelbank eines Tischlers oder ähnliche Vermögensbestandteile)  besteuert wird. 
Aber hey, liebe Regierung (genauer: liebe Legislative). Das kann man durch entsprechende Gesetze steuern. Bedenkt bitte, dass die Situation auch technisch eine andere ist als  vor 30 Jahren. Jeder Schüler hat heute in seinem Smartphone in etwa die Rechenpower, die der Finanzverwaltung vor dreißig Jahren zur Verfügung stand (ok, ist jetzt ein kleines Wenig übertrieben).
Wenn eure Legistiker das nicht schaffen, gebt das einfach ein paar Betriebswirten mit Wahlfach Finanzrecht im zweiten Studienabschnitt als Übungsaufgabe: Die freuen sich über einen Schein und ihr habt einen Gesetzestext.
Und wenn wirklich alle Stricke reißen und gar nichts mehr sonst geht, darf ich ganz leise das Wort "Verfassungsbestimmung" flüstern – falls man verlernt hat, wie das geht: Hier findet sich ein bekanntes Beispiel einer aus Gründen des Staatsinteresses und der nationalen Sicherheit knirschenden Zahnes in die Verfassung übernommenen Bestimmung (2. Seite, rechte Spalte, Punkt 9.)  aus dem Gelegenheitsbeförderungs-Gesetz 

 

Die Rehdebatte Teil 1

Natürlich zahlt niemand mit Begeisterung Steuern. Und bei wirklich Vermögenden zahlt es sich aus, Spezialisten zu beschäftigen und Gegenstrategien zu entwickeln.  
Deshalb teile ich hier die Sorge der Vermögensteuergegner durchaus:
Ich sehe schon den Pensionisten W. vor dem Abflugschalter Unmut auslösen, weil er die letzten Euro zusammenkratzt, um das Übergepäck für die zwei Dutzend Wiener Palais zu bezahlen, die er nach Singapur übersiedeln will. Seine eigene Villa passt ja Gott sei Dank noch ins Handgepäck.
 Ebenso ist die arme Witwe E. zu bedauern, die im Stau vor der österreichisch-schweizerischen Grenze keinen Schritt vor oder zurück kann, weil tausende Leidensgenossinnen ebenso wie sie versuchen, noch rechtzeitig ein paar tausend Hektar Wald auf dem Dachträger in die Schweiz zu bringen. Dabei muss sich die Frau auch noch von am Rad vorbeistrampelnden Attac-Jüngern verhöhnen lassen, die demonstrativ vor ihrem Autofenster aus Mineralwasserglasflaschen trinken. Und das alles, während Schüler in österreichischen Schulen fröhlich mitgebrachte Garderobehaken montieren, weil der Verwaltung das Geld fehlt. 

Die Rehdebatte Teil 2

Aber Reh ist natürlich nicht Reh, heutzutage ist es möglich, auf Knopfdruck innerhalb weniger Sekunden Millionen von einem Bankkonto auf das andere zu transferieren. 
Gekauft. Und hier wird ganz perfide mit dem Unwissen weiter Bevölkerungskreise gearbeitet. Schon mal von Planquadraten gehört? Es reichen wenige strategisch gut aufgestellte Polizeistreifen, um den gesamten Straßenverkehr in und aus einer Stadt zu kontrollieren. 
Solche strategischen Punkte gibt es auch im internationalen Zahlungsverkehr. Sie lassen sich sehr genau lokalisieren und hören auf den Namen SWIFT. Nie gehört? Doch. Denken Sie mal an die IBAN und die BIC auf einem Zahlschein. SWIFT ist eine internationale Genossenschaft der Geldinstitute zum Betrieb eines Telekommunikationsnetzes zwischen den Mitgliedern.
Details dazu sehr gut beschrieben auf Wikipädia: SWIFT Eine wichtige Erkenntnis ist: der gesamte internationale Zahlungsverkehr (ok, fast der gesamte) läuft über ein paar einzelne Server.
Wenn es also wirklich darum geht, Steueroasen trocken zu legen, so schafft das ein durchschnittlich begabter Systemadministrator in ein paar Minuten, auch wenn er sich dafür vorher noch den Bart aus dem Gesicht wischen, die Pizzaschachteln zur Seite schieben und die letzten Reste des verschütteten Colas aus der Tastatur tunken muss. Nur mit einem kleinen Programm, und das geht so:

Nimm die BIC der Überweisung
Schau in der Tabelle mit der schwarzen Liste nach, ob die BIC dort vorkommt.

Wenn nein: mach normal weiter
Wenn ja:
Überweisung ablehnen
Nachricht an den Überweiser (die steht dann am Kontoauszug): "Du nix überweisen Geld auf Konto in Schwarzgeldoase! Ich dich rollbackworken!"
Ist der Fies-Modus aktiv
Wenn ja: Kleines Mail an die Behörde des Absenderlandes absetzen: "Liebe Mitzi! Der kleine Stinker <VORNAME> <NACHNAME> wollte Geld in eine Steueroase überweisen!"


An ein paar Schrauben muss man natürlich noch zusätzlich drehen aber lassen Sie mich die Gesamtthematik so beschreiben: 
Würden Sie einem Tischler einen Tisch abkaufen, der behauptet, es sei unmöglich solche mit vier Beinen zu bauen? 
Würden Sie brav in der Autowerkstatt den Tausch des Motors zahlen, wenn der Mechaniker sagt, die Kerzen seien verschmutzt und das ginge leider nicht anders?
Eben.

Die Quadrillionen-Beamten-Debatte

Wenn man der p.t. Verwalterin unserer Kiesel glaubt, so bedürfe es Unmengen von Beamten, um die Datenflut zu beherrschen und die Inhalte der Datenfriedhöfe zu exhumieren. Mein sechsjähriger Sohn verwendet für "viel" immer den Begriff Quadrillionen.
Brauchen wir wirklich so viel Personal? Ja, wenn wir uns die Daten per Diskette (sic!) und Brieftauben schicken lassen, deren Inhalte dann von Sekretärinnen ausgedruckt, in Word abgetippt, gedruckt, eingescannt etc. pp. werden. 
Daher, liebe Frau BMF sprechen Sie mir bitte zwei ganz schwierige Abkürzungen nach: E-D-I (englisch, daher Ihhhh-Dieeee-Ei) und X-M-L (zwar auch englisch, aber trotzdem meist Ix-Em-Elllll). 
Das sind genormte Datenformate. Da weiß dann der Computer z.B. dass von Stelle 25 – 40 eine Steuernummer steht, von Stelle 50 - 70 ein Betrag, bei dem die letzten beiden Stellen die Nachkommastellen sind usw. usf. Und das sauschnell!
Das haben Sie sogar im Haus. Jeder kann auf www.bmf.gv.at dort z.B. die XML-Spezifikation für die elektronische Steuererklärung runterladen. Ich weiß das, weil ich selbst mal für einen Kunden ein Programm geschrieben habe, das seine Steuererklärungen bei Ihnen abholt, in die einzelen Informationsbrocken zerlegt und verbucht.
Und EDI ist sowieso der Mörderhammer. Ich betreue Kunden, die schicken pro Tag ein paar Hunderttausend Rechnungen, Lieferscheine, Bedarfsanforderungen an ihre Geschäftspartner und dort ist das schwupp-di-wupp verarbeitet.
Also bitte nochmal nachfragen, bevor sie solche Argumente bringen.

Die Substanzsteuer-Diskussion

Dass in Zeiten von Negativzinsen jede noch so minmale Steuer durchaus auf die Substanz gehen kann, ist eine Binsenweisheit und auch hier wären legistische Vorkehrungen zu treffen. Machen wir aber mal eine einfache Rechnung auf, um die Bedrohung durch eine Vermögenssteuer zu skizzieren.
In einer steuerlosen Zeit macht jemand mit einem Vermögen von 1000 EUR und fünf Prozent Rendite 50 Euro pro Jahr. Davon schnappt sich der böse Staat 50 %, bleiben also 25 Euro oder 2,5 % Nettorendite über.
Jetzt kommen diese Linkslinken und wollen 0,5% Vermögenssteuer. An der Ertragssituation ändert sich nichts. Bleiben also 25 Euro netto übrig. Jetzt kommen aber noch 5 Euro Vermögensteuer hinzu. Die wird der "Reiche" natürlich nicht zahlen, indem er ein paar Ziegel aus einem Haus bricht, sondern von den 25 netto cash. Bleiben jetzt aber nur mehr 20 Euro. Die gesamte Nettorendite sinkt also auf 2,0 % (Geld hat kein Mascherl).

Reichen-Epilog

Ich bin jetzt mal so mutig und traue mich zu behaupten, dass es genug Reiche gibt, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind, und gerne ein wenig mehr an Steuern zahlen, damit es allen in diesem Land gut oder vielleicht sogar etwas besser geht.
Früher haben diese Menschen Schulen, Wohnhäuser und Spitäler gebaut. Heute stehen sie zu Ihrem Reichtum aber auch zu ihren Aufgaben und zu ihren Leuten.
Mein Paradeunternehmer in diesem Sinne, Wolfgang Grupp, kommt zwar aus Deutschland, ich möchte Ihnen eine Diskussion mit ihm als Teilnehmer aber nicht vorenthalten: http://www.spiegelfechter.com/wordpress/2057/der-anachronist-und-die-talkshow
Wem das Wohl der Gesellschaft wurscht ist und wer die Neureichen und Abzocker schützen will, der soll einfach zu seiner Zielgruppe stehen. Das ist ein legitimes politisches Interesse, nur dann sollte man für dieses wenigsten mit offenem Visier kämpfen.

1 Kommentar:

  1. Ich sehe nicht die Superreichen als Problem, da gibt's auch die Bankenrettung und die Griechenland Gläubiger Rettung und und und

    Schrieb letzte Woche: Eine seriöse Studie müsste Vermögen der Superreichen zur sozialen Umverteilung (z.B. Arbeitslose, Rente, Investitionen in Bildung, Forschung und Gesundheit) und unsozialen Umverteilung (z.B. Bankenrettung und Lobbyisten) durch den Staat in Relation setzen. Bei der sozialen Umverteilung muss man sich auch den Wirkungsgrad ansehen, also z.B. wie viel vom Arbeitslosengeld wird in der Verwaltung verbraucht und wie viel kommt wirklich beim Arbeitslosen an.

    Reiche: http://www.trendtop500.at/die-reichsten-oesterreicher/
    Firmen: http://www.format.at/nw3/dyn/trend/top500_2011/start.php

    Der Familie Porsche Piëch hat doppelt so viel Vermögen in Österreich, wie der Staat gerade in 2 Jahren für die österreichische Bankenrettung veranschlagte (noch ohne ESM & EU Bankenrettung und die Familie Porsche hat dieses Vermögen über Generationen in der ganzen Familie erwirtschaftet und ihr Geld liegt auf der PorscheBank und in Devisen, Grund und Firmenbeteiligungen, aber eher wenig auf den geretteten Banken)
    Mit dem gesamten Vermögen des Inhabers von Red Bull könntest du nicht einmal 1 Jahr nur die Beamtenpensionen (=Renten der Staatsdiener, 22% beitragsgedeckt und viel höher als alle anderen Renten 80% beitragsgedeckt) in Österreich zahlen.

    http://blog.area23.at/2013/08/vermogensstudie-spo-vermogenssteuern.html

    Und noch eine Frage an den Autor:

    Es gibt ja mehrere Gruppen an Vermögenden
    1. Es gibt Industrielle und realwirtschaftliche Unternehmer (Leistungsträger), die hier viele Leute beschäftigen oder beschäftigten und viel Steuern zahlten!
    2. Es gibt Leute, wie KHG und sein Biotop bzw. Strasser (Leistungskofferträger), die kaum Leute beschäftigten und durch €urofighterkompensationsgeschäfte mit Offshorefirmen zu Vermögen kamen.
    3. Es gibt Lottogewinner und Erben, wovon manche als Großgrundbesitzer nur durch vermieten/verpachten Geld machen.
    4. Es gibt Bankmanager mit hohen Boni, die alles Geld verzockt haben
    5. Es gibt russische Oligarchen, aber die fallen als nicht Österreicher nicht unter die Vermögenssteuer

    Findet der Autor es gerecht von 1-4 gleich zu nehmen?

    AntwortenLöschen